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Nationale Stadtentwicklungspolitik

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Augsburg "Reese-Kaserne"

Augsburg war seit 1945 wichtiger Garnisonsstandort der US-Armee, deren Abzug in den 1990er Jahren mehrere großflächige Konversionsflächen in Innenstadtnähe hinterließ. Auf dem Gelände der ehemaligen Reese-Kaserne ließ die Stadt parallel zum langjährigen Planungs- und Entwicklungsprozess Zwischennutzungen zu, die zunächst auf zehn Jahre begrenzt wurden. Bald nach Ablauf dieser Zeit wurde der so genannte Kulturpark West eröffnet, in dem zahlreiche der in der Zwischenzeit erfolgreich etablierten kulturellen Angebote auf einer Teilfläche des Geländes zunächst bis 2017 fortgeführt werden können.

Kontext

Augsburg, die mit ca. 267.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Bayerns, war nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die 1990er Jahre hinein der größte US-Truppenstandort im Regierungsbezirk Schwaben. Zeitweise waren bis zu 17.000 amerikanische Soldaten in drei Kasernen im Augsburger Westen stationiert. Der Abzug der US-Streitkräfte bedeutete die größte Zäsur der jüngeren Stadtgeschichte: Die erste Kaserne wurde 1994, die letzte 1998 aufgegeben, so dass die Stadt Augsburg innerhalb von nur vier Jahren den Wegzug von etwa 30.000 amerikanischen Mitbürgern (Soldaten nebst Angehörigen) zu verkraften hatte.

Neben diesem Einwohnerverlust sah sich die Stadt mit weiteren Folgen des Truppenabzugs konfrontiert: die amerikanischen Wohnsiedlungen wurden binnen kurzer Zeit leer gezogen, für Gebäude, in denen zuvor militärische Folgeeinrichtungen untergebracht waren, mussten Nachnutzungen gefunden werden ebenso wie für verschiedene innenstadtnah gelegene Konversionsflächen mit einer Gesamtgröße von etwa 200 ha. Eine weitere Kaserne im Augsburger Süden wurde von der Bundeswehr aufgegeben. Neben diesen Konversionsflächen befinden sich einige unterschiedlich große Industriebrachen in der Stadt, die insbesondere auf die Krise der Textilindustrie in den 1980er Jahren zurückzuführen sind, als einige Textilfabriken ihre Produktion in Augsburg einstellen mussten.

Die Stadt Augsburg steht also vor der Herausforderung seit den 1990er Jahren, zahlreiche Brachflächen einer neuen Nutzung zuzuführen und in ihr städtebauliches Umfeld zu reintegrieren. Wegen der Vielzahl an Flächen und Gebäuden, war es nicht immer möglich alle Standorte sofort für eine zivile Nutzung aufzubereiten bzw. Gebäude unmittelbar nach dem Leerzug zu sanieren und neu zu nutzen. In diesen Fällen, in denen sich die Prozesse zeitlich streckten, ließ die Stadt verschiedene Zwischennutzungen zu. Dies galt und gilt insbesondere für das Areal der ehemaligen Reese-Kaserne, der mit ca. 43 ha zweitgrößten Militärbrache im Augsburger Westen.

Projektbeschreibung

Blick auf das Gelände der ehemaligen Reese Kaserne Quelle: Stadtplanungsamt Augsburg

Die Reese-Kaserne wurde bereits 1994 von den amerikanischen Streitkräften aufgegeben, die Stadt Augsburg reagierte mit der Einleitung von Voruntersuchungen für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Zwei Experten-Workshops für das Areal der Reese-Kaserne kumulierten zunächst 1996 in einem Nutzungskonzept und gingen schließlich 1998 in einem Strukturkonzept für den gesamten Augsburger Westen auf. Dies wurde infolge der Aufgabe einer weiteren Kaserne 1998 nötig, auch das Nutzungskonzept wurde daraufhin fortgeschrieben. Schrittweise wurde das Areal an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (damals „Bundesvermögensverwaltung“) übergeben, von der es die Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung (AGS) als Treuhänderin der Stadt Augsburg im September 2006 erwarb. In der Zwischenzeit erfolgten weitere Planungsschritte wie die Teilnahme am europaweiten Wettbewerb EUROPAN 7 im Jahr 2003, aus dem ein Rahmenplan und schließlich ein Bebauungsplan entwickelt wurden.

Zur Überbrückung dieser langen Planungszeit ließ die Stadt Augsburg ab 1995 erste Zwischennutzungen für Teilflächen und einige Gebäude auf dem Areal der Reese-Kaserne zu. Die Zwischennutzungen wurden zunächst auf zwei Jahre begrenzt, dauerten dann aber mit mehreren Verlängerungen bis zu 10 Jahre an. In dieser Zeit wurde das Spektrum der meist kulturellen Zwischennutzungen breiter, es konnten etwa 300 Mieter auf dem Gelände untergebracht werden, die Gebäude bzw. Flächen als Lagerräume, Übungsräume, Stellplätze, Werkstätten, Verkaufsräume oder Gaststätten nutzten. Letztlich entstand auf diese Weise auch ein Existenzgründerzentrum im Rahmen der Zwischennutzung. Besonders erfolgreiche Projekte haben sich darüber zu Dauernutzungen entwickelt, wie beispielsweise das Kulturhaus „Abraxas“. In einem bereits von den Amerikanern zu Kultur- und Freizeitzwecken genutzten Gebäude eröffnete das „Abraxas“ unter Verwaltung des städtischen Kulturamtes bereits 1995 und bietet heute Platz für Künstlerateliers, eine Ausstellungshalle, eine Druckwerkstatt ein Lokal mit Biergarten, Musikunterrichts- und Bandübungsräume sowie für eine eigene Studiobühne. Mittlerweile hat sich das „Abraxas“ zu einem kulturellen Anziehungspunkt über die Stadtgrenzen Augsburgs hinaus entwickelt weshalb sein Erhalt über den Bebauungsplan gesichert wurde. Weiterhin hat sich im südlichen Bereich des Geländes das schwäbische Förderzentrum für Hörgeschädigte angesiedelt, das nun ebenfalls erhalten bleiben soll, die benachbarte KiTa Sommestraße soll auf einem anderen Teil des Geländes langfristig in einen Neubau ziehen. Auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nutzt das ehemalige „Guest-House“ der Amerikaner dauerhaft als Verwaltungsgebäude.

Im Jahr 2005 endete die zehnjährige Befristung der Zwischennutzungen. Die ehemalige Reese-Kaserne hatte sich jedoch in der Zwischenzeit ein Profil als kultureller Standort erworben, zudem erschienen kulturelle Nutzungen als „Puffer“ zwischen einem geplanten Grünzug in der Mitte des Geländes und geplanter Wohnbebauung am östlichen Rand geeignet. In unmittelbarer Nachbarschaft zum „Abraxas“ wurden daher in drei ehemaligen Kasernengebäuden auf einer Fläche von 6.000 qm weitere Zwischennutzungen zunächst bis 2017 gestattet. Betrieben wird dieser so genannte „Kulturpark West“ von der gemeinnützigen Kulturpark West GmbH, die das Gelände und die Gebäude von der Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung gepachtet hat. Genutzt wird der Kulturpark West u. a. von Musikern, verschiedenen Theatern und Theatergruppen, dem Fanprojekt vom FC Augsburg und Stadtjugendring, dem Kultur- und Schulservice Augsburg, von Jugendverbänden und einer privaten Kleinkinderbetreuung. Ergänzt wird das Angebot des Kulturpark West durch einen privaten Musikklub und zwei Veranstaltungsorte: die Kradhalle mit 250 Plätzen sowie das ehemalige Reese-Theater mit 500 Plätzen.

Die Gründung des Kulturpark West und die zur Dauernutzung gewordenen Einrichtungen zeigen den Erfolg der Zwischennutzungen bei der Konversion der ehemaligen Reese-Kaserne. Dennoch lief aus Sicht der Stadt Augsburg anfangs nicht immer alles reibungslos: So verursachten erste Zwischennutzer vereinzelt auch mehr Schaden als Nutzen, wenn diese beispielsweise Bereiche stark vermüllt zurück ließen, Böden zusätzlich kontaminierten oder die Stadt auf Betriebskosten sitzen blieb. Zwischennutzungsprozesse müssen daher ebenso gesteuert wie auch moderiert werden. So steigerte in Augsburg zeitweise eine externe Moderation die Akzeptanz hinsichtlich der temporären Begrenzung von Zwischennutzungen und langfristiger Entwicklungsplanungen, wenn die Kontrolle zur Beendigung einer Zwischennutzung zu entgleiten drohte.

Projektchronologie

JahrEreignis
1994
Aufgabe der Reese-Kaserne als Standort der US-Armee
1995
1. Expertenworkshop
1995
Gestattung von ersten Zwischennutzungen auf dem ehemaligen Kasernengelände
1996
2. Expertenworkshop und Nutzungskonzept für die ehemalige Reese-Kaserne
1998
Endgültige Übergabe der Flächen an die damalige Bundesvermögensverwaltung
1998
Aufgabe der benachbarten Sheridan-Kaserne und Überführung der bisherigen Planungen in ein Strukturkonzept für den gesamten Augsburger Westen
2003
Teilnahme am europaweiten Wettbewerb EUROPAN 7
2005
Aufnahme der Maßnahme Reese-Kaserne in das Programm „Stadtumbau West“
2006
Fertigstellung eines Rahmenplanes für die Reese-Kaserne
2006
Förmliche Festlegung des Gebietes als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme
2006
Erwerb der Flächen durch die Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung (AGS)
2007
Beginn von Abbruch- und Bodensanierungsarbeiten
2008
Eröffnung des Kulturpark West
2009
Inkrafttreten des Bebauungsplans zur Reese-Kaserne
2011 Beginn der Erschließungsmaßnahmen

Ziele

Blick auf das Kulturhaus Abraxas Quelle: Stadtplanungsamt Augsburg

Entwicklungsziele für die Konversionsfläche Reese-Kaserne

  • Eingliederung in das städtebauliche Umfeld
  • Entwicklung eines Grünzugs zur Verbesserung der Naherholungs- und Freizeitmöglichkeiten
  • Entwicklung eines neuen Wohnstandortes

Ziele der Zwischennutzung

  • Überbrückung des langen Planungs- und Entwicklungszeitraums
  • Raumgabe für kulturelle, kreative und gewerbliche Nutzungen
  • „Aneignung“ der Fläche durch die Bevölkerung über Zwischennutzungen

Maßnahmen

Blick auf den Eingang zum Reese Theater Quelle: Stadtplanungsamt Augsburg

  • Gestattung von Zwischennutzungen mit zeitlicher Befristung (jeweils 2 Jahre, verlängert bis max. zehn Jahre)
  • Genehmigung der Nutzungen zumeist über § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich) als Einzelfallzulassung
  • Kulturhaus „Abraxas“: Zwischennutzung wird zur Dauernutzung
  • Schwäbisches Förderzentrum für Hörgeschädigte: Dauernutzung
  • Kulturpark West: Räumlich konzentrierte Verlängerung von Zwischennutzungen (im B-Plan ausgewiesen als „Bereich für eine verlängerte Zwischennutzung“)
  • Anwendung umfänglicher und vielfältiger Beteiligungsformen unter Einbeziehung der Zwischennutzer als Akteursgruppe und Bindeglied zu anderen Bevölkerungsgruppen

Innovationen

Blick auf Freiflächen der Kindertagesstätte Sommestraße Quelle: Stadtplanungsamt Augsburg

Die Stadt Augsburg hat am Beispiel Reese-Kaserne sehr früh die Potenziale erkannt, die Zwischennutzungen im Rahmen manchmal sehr langwieriger Entwicklungen innerstädtischer Brachflächen bieten können. Anfänglich hier selbst eher noch unerfahren, konnte die Stadt aber zunehmend routinierter Zwischennutzungen in den andauernden Planungsprozess integrieren. Diese Zwischennutzungen überbrückten den Planungs- und Entwicklungszeitraum sinnvoll, indem sie das vormals abgeschottete Areal für Kulturschaffende und die Besucher erlebbar machten. Beispielhaft ist auch die Fortführung der Zwischennutzung im Rahmen des Kulturpark West für eine weitere Dekade: Durch die räumliche Konzentration auf den Kulturpark scheint ein Kompromiss zwischen dem Beginn von Baumaßnahmen auf einem Großteil des Areals und der schwierig zu vermittelnden zeitlichen Begrenzung von Zwischennutzungen gelungen, der zudem baurechtlich festgeschrieben werden konnte.

Quellen

Weiterführendes

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 86156 - Ort: Augsburg - Straße: Am Exerzierplatz 10.

Letzte Änderung: 16.06.2011