Die auf dieser Website verwendeten Cookies dienen ausschließlich der technischen Bereitstellung und Optimierung des Webangebotes. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz
Durch die Umgestaltung einer ehemaligen Bahntrasse entstand ein quartiersverbindender Fuß- und Radweg, der die Nahmobilität fördert und die Verkehrssicherheit erhöht. Das Projekt verdeutlicht, wie sich durch die Verknüpfung von Stadt-, Verkehrs- und Freiraumplanung, die Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen verbessern lassen.
Kontext
Quelle: Stephan Lehmann
Das Ringgleis in Braunschweig (247.000 Einwohner) wurde Ende des 19. Jahrhunderts zur Versorgung der Industriebetriebe im Westlichen Ringgebiet gebaut. Mit der Stilllegung der Strecke in den 1980er Jahren ging die Verlagerung und Schließung von Betrieben einher. Im Westlichen Ringgebiet entwickelte sich eine Gemengelage. Es entstand ein Nebeneinander von Industriebrachen, aufgegebenen Bahngleisen, Wohnquartieren für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen und restgenutzten Gewerbebauten und -flächen.
Zur Aufwertung des Quartiers und Förderung der Nahmobilität nahm man sich vor, die Flächen des stillgelegten Ringgleises zu nutzen. Das fast vier Kilometer lange, den gesamten Stadtteil durchziehende Ringgleis ist nicht nur stadtbildprägend, sondern wird auch als Rückgrat der Quartiersentwicklung betrachtet. Damit bot sich die Chance, mit einem durchgängigen Fuß- und Radweg entlang der ehemaligen Schienenstrecke Freiräume, quartiersinterne Einrichtungen und Menschen miteinander zu verbinden.
Der überwiegende Teil des Gebietes wurde im Jahr 2001 in das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt aufgenommen.
Die Gestaltung der ehemaligen Schienenstrecke, des sogenannten Ringgleises, zu einer durchgängigen und attraktiven grünen Achse erfolgte in mehrere Ausbaustufen. Im Sinne eines Wechselspiels zwischen bürgernaher Planung und Umsetzung wurden einzelne Abschnitte zunächst als provisorischer Ausbau hergestellt. Die Wege wurden mit groben wassergebundenen Decken begehbar gemacht. Anschließend konnten sie vor Ort besichtigt, in Gebrauch genommen und neue Ideen für den weiteren Ausbau diskutiert werden. Die Anregungen fanden im Zuge der folgenden Ausbaustufe Berücksichtigung. Auf diese Art und Weise wurde das Ringgleis auf dem 3,8 km langen Abschnitt fast vollständig umgesetzt. Der große Erfolg des Projektes hat dazu geführt, dass der weitere Ausbau der Trasse nun mit stadteigenen Mitteln vorangetrieben wird. Ein erster außerhalb des Sanierungsgebietes liegender Abschnitt konnte bereits 2008 zur Nutzung frei gegeben werden.
Der Impuls für das Projekt kam aus der Bevölkerung. Die Planung wurde von Beginn an von einer starken Identifikation und einem hohen Engagement begleitet. Das Braunschweiger Forum, ein Verein zur Förderung bürgernaher Stadtplanung, machte bei einer Aktionswoche auf die Bedeutung und die Potenziale der ehemaligen Bahntrasse aufmerksam. Interessierte schlossen sich zu einer Arbeitsgruppe Ringgleis zusammen. Planung und Umsetzung erfolgen dialogorientiert und in enger Kooperation aller Beteiligten. Mitglieder des Braunschweiger Forum und engagierte Bürger trafen sich im Rahmen der AG regelmäßig mit dem Quartiersmanagement und der Verwaltung, um Vorschläge in die Planung einzubringen bzw. „ihr Gleis“ gemeinsam zu gestalten.
Bereits im Vorfeld des „offiziellen“ Baubeginns wurden einzelne Arbeiten durch ehrenamtliche Helfer durchgeführt. Die städtischen Stellen unterstützten das Engagement, indem sie beispielsweise die benötigten Gerätschaften zur Verfügung stellten. Der Ausbau des Ringgleises wurde mit Hilfe eines Beschäftigungsprojektes der Stadt realisiert.
Durch die Umwandlung des Ringgleises, ist ein quartiersverbindender Fuß- und Radweg entstanden. Seither bietet sich der Quartiersbevölkerung und Besuchern ein Zugang zu einem Natur- und Erlebnisraum mitten in der Stadt. Bereits mit der Umsetzung erster Maßnahmen wurden die Rahmenbedingungen für den Nahverkehr verbessert. Die Realisierung von Wegen abseits der Straßen hat unmittelbar auch zu mehr Sicherheit und einem höheren Komfort beigetragen.
Die Attraktivität der Achse wird durch weitere funktionale und gestalterische Elemente sowie die Integration benachbarter Flächen erhöht. Unter dem Titel „Braunschweiger ZeitSchiene“ wird die Geschichte der Eisenbahn- und Verkehrstechnik erzählt. Das Projekt wird zudem durch Aktionen und Veranstaltungen begleitet, um den Bekanntheitsgrad im Quartier und darüber hinaus zu erhöhen, die Identifikation der Bevölkerung mit dem Westlichen Ringgebiet zu stärken und der Zusammenhalt innerhalb des Quartiers zu fördern.
Durch Verknüpfung von Stadt-, Verkehrs- und Freiraumplanung ist es gelungen ein ehemaliges Eisenbahngleis zur Verbesserung der Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen umzunutzen. Die neu gestaltete Bahntrasse erhöht den Wohnwert und trägt zur Stärkung der Nahmobilität bei. Das Projekt ist ein Beispiel für eine erfolgreiche „bottom up“-Initiative mit Identität stiftender Wirkung auf das gesamte Gebiet.