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Charrette ist ein öffentliches und offenes Planungsverfahren, das darauf abzielt, mit allen Projektbeteiligten in einem kurzen Zeitraum konkrete und abgestimmte Ergebnisse zu erarbeiten. In Gräfenhainichen diente das Verfahren zur Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes mit Ausrichtung auf erneuerbare Energien.
Dieses Projekt befindet sich im Archiv. Die Projektdaten werden nicht mehr aktualisiert.
Kontext
Die ca. 8.500 Einwohner große Stadt Gräfenhainichen ist durch die Schließung des benachbarten Braunkohletagebaus in besonderer Weise von Strukturproblemen (Deindustrialisierung, Bevölkerungsverlust und Wohnungsleerstand) betroffen. Innerhalb des kompakten Stadtkörpers befinden sich drei Plattenbaugebiete mit der Hälfte des lokalen Wohnungsbestandes. Gräfenhainichen beteiligte sich an dem Bundeswettbewerb "Stadtumbau-Ost". Das im Wettbewerb geforderte Stadtentwicklungskonzept wurde in Gräfenhainichen mit Hilfe des Charrette-Verfahrens erarbeitet.
Charrette ist ein öffentliches und in der Ausgestaltung offenes Verfahren zur Unterstützung städtebaulicher Planungen. Die während der 1980er Jahre in den USA entwickelte Methode zielt auf die Lösung komplexer Planungsaufgaben.
Eine interdisziplinäre Gruppe mit fünf bis 20 Mitgliedern bildet den Kern der Charrette. Dieses Team bearbeitet eine gemeinsame Lösung für eine festgelegte Aufgabe. Zentrale Erfolgsbedingung ist die direkte und kontinuierliche Rückkopplung der einzelnen Schritte mit den Entscheidungsträgern, Eigentümern, betroffenen oder interessierten Bürgern. Eine Charrette ist zeitlich begrenzt und hat ein konkretes, umsetzbares Ergebnis zum Ziel. Die genaue Ausgestaltung, die Zusammensetzung der Kerngruppe und die Arbeitsschritte werden der jeweiligen Aufgabenstellung angepasst.
In Gräfenhainichen diente die Charrette dazu, die Öffentlichkeit zur Mitarbeit an der städtebaulichen Erneuerung zu mobilisieren und den Stadtumbauprozess durch die Einbindung aller Akteure zu optimieren. Dort war es Ziel, einen Beitrag zum Bundeswettbewerb "Stadtumbau-Ost" zu verfassen.
Die Stadt schrieb zur Bildung der Charrette-Gruppe einen beschränkten Wettbewerb unter FachplanerInnen aus, aus dem ein Team von neun Planungs- und Ingenieurbüros unterschiedlicher Fachdisziplinen hervorging. Eine zweitägige Mini-Charrette und vorbereitende Seminare zu Fragen der Energieversorgung und des Wohnungsbaus bildete die Einstimmung für alle Beteiligten. Als Tagungsort wurde eine Kapelle als zentral gelegener öffentlicher Ort in Gräfenhainichen gewählt.
In der einwöchigen Charrette wurden die wesentlichen Elemente des Stadtentwicklungskonzeptes (Leitbild, Erneuerungsansätze für Altbau- und Neubaubereiche, regionale Einbindung, Wirtschaftlichkeit) erarbeitet.
Die Bündelung bewährter Arbeitsmethoden und die permanente Rückkopplung mit Entscheidern und Öffentlichkeit führten in sehr kurzer Zeit zu einem konsensfähigen Produkt. Arbeitsschritte dabei waren u. a. Vor-Ort-Termine, Arbeitsgruppensitzungen, themenbezogene Gesprächsrunden, Zwischenpräsentationen für Öffentlichkeit, Stadtrat und Wohnungsunternehmen sowie der Besuch und die temporäre Mitarbeit von interessierten Bürgern und Schulklassen. Schüler beteiligten sich zum Beispiel, indem sie ein Modell einer Plattenbausiedlung bauten und den Plattenbau durch ihre Wunscharchitektur austauschten. Um die Arbeit mit Laien (Bürgerschaft, Kommunalpolitik) effektiv zu gestalten, wurde darauf geachtet, dass die Planungen möglichst verständlich und transparent dargestellt und umfassend vermittelt wurden.
Die Charrette endete mit einer großen öffentlichen Abschlusssitzung, aus der das neue Leitbild "Gräfenhainichen - Stadt mit neuer Energie" und die wesentlichen Materialien für das Stadtentwicklungskonzept hervorgingen. Durch die kurzen Rückkopplungsprozesse mit Experten und Verwaltung innerhalb der Charrette konnten, laut Aussage des örtlichen Bürgermeisters, anstehende Entscheidungen kurzfristig getroffen werden.
Die Charrette ist ein flexibles und effizientes Planungsverfahren, das sich gut den lokalen Gegebenheiten und Fragestellungen anpassen lässt. Durch ein hohes Maß an Öffentlichkeit, direkte Akteursbeteiligung und kontinuierliche Einbindung aller Entscheidungsträger entstehen innerhalb kurzer Zeit entscheidungsreife und umsetzbare Ergebnisse. Die Bündelung erprobter Beteiligungsformen und Arbeitsmethoden innerhalb eines Verfahrens führte in Gräfenhainichen zu einem erfolgreichen Wettbewerbsbeitrag und zu einer außerordentlichen Akzeptanz für den Stadtumbau. Weitere Potenziale dieses Verfahrens liegen in der Kosten- bzw. Zeitersparnis und Motivationszuwachs.
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2003): Stadtumbau Ost. Dokumentation zum Bundeswettbewerb "Stadtumbau Ost". Bonn
Kegler, Dr. Harald (2003): Charrette, Ergebnisorientiert - Kostengünstig - Nachhaltig. Mitwirkung anregen, Konflikte lösen, Vertrauen schaffen, Zukunft sichern. o. O.
Kegler, Dr. Harald (2003): Charrette - neue Möglichkeiten effektiver Beteiligung am Stadtumbau. In: Müller/Schmitt/Selle: Stadtentwicklung rückwärts! Brachen als Chance?. Aufgaben, Strategien, Projekte - Eine Textsammlung für Praxis und Studium. (AGB-PT Bericht No.52). Aachen, Hannover, Dortmund
Stadt Gräfenhainichen (2002): Wettbewerb Stadtumbau Ost, Gräfenhainichen. Stadt mit neuer Energie. Gräfenhainichen
Kegler, Dr. Harald (2002): Konzeptpapier. Planungsarbeit zur Wettbewerbsbeteiligung der Stadt Gräfenhainichen am Stadtumbau-Ost: Charrette. Wittenberg