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In stadträumlich integrierter Lage ist ein anspruchsvolles Städtebauprojekt für eine gemischte Bewohnerschaft entstanden. Ein breites Spektrum unterschiedlicher Wohnungs- und Eigentumsformen ermöglicht soziale und altersbezogene Vielfalt. Das solidarische Miteinander wird durch gemeinschaftliche Innen- und Außenräume, barrierefreie Gestaltung sowie durch institutionelle und nachbarschaftliche Hilfen unterstützt.
Dieses Projekt befindet sich im Archiv. Die Projektdaten werden nicht mehr aktualisiert.
Kontext
Quelle: Weeber + Partner
Ende der 1980er Jahre zeichneten sich in Kempten, einer Mittelstadt mit etwa 60.000 Einwohnern, Engpässe auf dem lokalen Wohnungsmarkt ab. Betroffen waren vor allem Gruppen mit besonderem Wohnungsbedarf: größere Familien, ältere, behinderte, allein erziehende und studierende Menschen. Außerdem fehlte es an räumlichen Voraussetzungen für gemeinschaftliche Lebensformen. Mit dem Projekt „Integriertes Wohnen" sollte das Angebot an bedarfsgerechtem Wohnraum verbessert werden.
Für das integrative Wohnprojekt wurde ein Standort im zentrumsnahen Stadterneuerungsgebiet "Unter der Burghalde" gewählt. Der Projektstandort ist in einen attraktiven Grünzug direkt an der Iller eingebunden. Von dort ist die Innenstadt mit allen wichtigen Versorgungseinrichtungen zu Fuß in fünf Minuten zu erreichen.
Das Projekt ist von 1989 bis 1994 als Modellvorhaben im Forschungsfeld "Ältere Menschen und ihr Wohnquartier" im Bundesforschungsprogramm "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" ExWoSt gefördert und ausgewertet worden.
Mit dem Projekttitel "Integriertes Wohnen" verband sich die Absicht, den besonderen Bedarfsgruppen passenden Wohnraum anzubieten und insbesondere älteren Menschen Möglichkeiten für ein selbständiges Leben zuhause zu eröffnen. Einer sozialen Isolation im Alter sollte vorgebeugt werden, indem durch frühzeitige Bewohnersuche und -beteiligung nachbarschaftliche Beziehungen aufgebaut wurden. Letztlich sollten ältere Menschen auch im Falle gesundheitlicher Beeinträchtigungen in das gesellschaftliche Leben einbezogen sein und ihre Fähigkeiten entfalten können.
Im Neubauprojekt entstand Wohnraum für rund 150 Menschen aus unterschiedlichen Alters- und Sozialgruppen: 29 öffentlich geförderte Mietwohnungen des sozialen Wohnungsbaus, 32 frei finanzierte Eigentumswohnungen, Räume für eine therapeutische Wohngemeinschaft mit sechs Plätzen in Einzelzimmern und vier Gemeinschaftswohnungen für Studierende. Die Wohn- und Außenräume sind weitgehend barrierefrei und zum Teil behindertengerecht gestaltet.
Das Wohnungsangebot wird durch eine Tagespflegestation mit 12 bis max. 18 Plätzen ergänzt. Gemeinschaftlich nutzbare Räume, wie ein Bewohner-Café und ein Gäste-Appartement, fördern die Idee der Nachbarschaft und animieren die Bewohner des angrenzenden Quartiers, Kontakte aufzunehmen. Das Café hat sich zu einem beliebten Treffpunkt für ältere Menschen, Menschen mit Behinderung und viele BewohnerInnen im Quartier entwickelt.
Eine Tiefgarage schafft die Voraussetzungen für ein verkehrsberuhigtes Wohnumfeld.
Ein weiterer wichtiger Baustein des Projektes ist das so genannte "Netzwerk der Hilfe". Durch einen sozialpädagogisch qualifizierten Projektbetreuer erhalten die Bewohner Beratungsleistungen und die für sie notwendigen Hilfen. Die Koordination der sozialen Arbeit liegt in den Händen einer eigens dafür gegründeten und von der Projektträgerin, der Sozialbau Kempten, verwalteten Stiftung. Auch nach dem Bezug der Wohnungen im Herbst 1994 sorgt das Wohnungsunternehmen für die Betreuung der Bewohnerschaft.
Die Bewohnermitwirkung beschränkte sich nicht nur auf die Planungs- und Bauphase. Jährlich wird eine Bewohnervertretung gewählt, die mindestens einmal im Monat zusammen kommt. Dabei werden aktuelle Anliegen und Vorhaben zur Förderung der Gemeinschaft besprochen und z.B. die Bepflanzung der Balkonkästen an den Laubengängen, Feste und gemeinsame Essen organisiert. Das jährliche Sommerfest ist zu einem festen Bestandteil im Kemptener Jahreskalender geworden und wird von vielen Menschen aus dem Quartier und darüber hinaus besucht.
Die Idee des Generationen und Sozialgruppen übergreifenden Wohnens in einer sozial verantwortlichen und unterstützenden Nachbarschaft setzt sich auch nach zehn Jahren einen anspruchsvollen Maßstab. Die Wohnanlage im Zentrum der Stadt mit dem Café als Anziehungspunkt trägt dazu bei, dass Menschen mit Behinderung inzwischen zum gewohnten Bild in der Stadt gehören. Der hohe Integrations- und Beteiligungsanspruch kann heute immer noch als wegweisend gelten. Obwohl das Projekt unter einigen Sonderbedingungen mit großen finanziellen und personellen Aufwand entstanden ist, stellen einzelne Projektelemente weiterhin nachahmenswerte Bausteine für sozial integrative und städtebaulich integrierte Wohnprojekte dar.
Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.): Wohnen im Alter – zuhause im Wohnquartier. Modellvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus. – Bonn 1995
Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.): ExWoSt-Informationen zum Forschungsfeld „Ältere Menschen und ihr Wohnquartier“ Nr. 10 (1993), Nr.11 (1993), Nr. 12 (1996)