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Nationale Stadtentwicklungspolitik

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Nordhorn „Wasserstadt Povel“

Auf einer zentral gelegenen Brachfläche der Textilindustrie entstand im Zuge der Flächenwiedernutzung ein Stadtquartier mit diversen Zentrumsfunktionen. Das Projekt wurde mit hohen stadtökologischen Ansprüchen realisiert.

Kontext

Wohngebäude mit Fußweg und Wasserlauf Quelle: FIRU mbH

Nordhorn, eine Mittelstadt (ca. 53.000 EW) an der niederländischen Grenze war über 100 Jahre lang durch die Textilindustrie geprägt. Der wirtschaftliche Umbruch in der Textilbranche hinterließ tiefe Spuren im sozialen Gefüge und im Erscheinungsbild der Stadt. Im Jahre 1978 wurde die Textilfabrik Povel geschlossen und rund 1.200 Menschen waren arbeitslos. Zurück blieb eine ca. 16 ha große, stark kontaminierte Brachfläche mitten in der Stadt.

Anfang 1980 kaufte die Stadt das Areal und ließ bis auf den markanten Povel-Turm, eine Lagerhalle und ein Verwaltungshaus alle Gebäude abreißen. Die erhaltenen Gebäude wurden unter Denkmalschutz gestellt.

Die Fläche grenzt südlich an die Innenstadt und bietet große Potenziale für die Innenstadtentwicklung. Nicht nur auf Grund der zentralen Lage, sondern auch wegen der unmittelbaren Nähe zu einem Erholungsgebiet am Vechtesee und der direkten Lage am Fluss Vechte handelt es sich um einen attraktiven Standort.

Das Projekt ist von 1987 bis 1991 als Modellvorhaben im Forschungsfeld „Stadtökologie und umweltgerechtes Bauen“ im Bundesforschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) gefördert und ausgewertet worden.

Projektbeschreibung

Wohngebäude am Wasser Quelle: FIRU mbH

Nach dem Flächenerwerb durch die Stadt wurden umgehend erste Abriss- und Planierarbeiten durchgeführt. Das Gelände sollte schnellst möglich einer neuen Nutzung zugeführt werden, um das Negativimage zu überwinden, das durch den Verlust zahlreicher Arbeitplätze gegeben war. Daher wurde das gesamte Gelände bis auf drei Gebäude geräumt. Damit gab es kaum Restriktionen für das städtebauliche Konzept. Allerdings hatte der eilige Gebäudeabriss zu einer starken Vermischung von Altlasten geführt.

Der Planungsprozess begann 1983 mit einem städtebaulichen Ideenwettbewerb. Zum damaligen Zeitpunkt wurden noch keine Bodenverunreinigungen vermutet. Zunächst war hochwertiges innerstädtisches Wohnen in verdichteter Bauweise vorgesehen. Erst 1985 wurden Bodenbelastungen festgestellt, die ein Überdenken der ursprünglichen Planungen erforderten. In Anhängigkeit der Kontaminationen wurden mögliche Nutzungen neu festgelegt. In dieser veränderten Situation wurde der städtebauliche Rahmenplan als Planungsinstrument gewählt, um schrittweise und flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren zu können.

Um die Gebietsentwicklung zügig voranzutreiben, fand parallel zur laufenden Bodenreinigung die Bebauung der bereits gereinigten Abschnitte statt. Bei der Altlastensanierung entwickelte die Stadt Nordhorn ein Konzept, nach dem der belastete Boden ausgehoben, direkt vor Ort chemisch analysiert und entsprechend seiner Verunreinigung auf dem Gelände selbst gereinigt wurde. Stark kontaminierte Böden wurden mit Komposterde vermischt und in Folienwannen zu Biobeeten aufgeschüttet. Die ausgewaschenen Schadstoffe sammelten sich in den Wannen als Sickerwässer, die dann über Torffilter weiter gereinigt wurden. Geringer belastete Böden überließ man den natürlichen biologischen Abbauprozessen. So lag der Anteil der Bodenmenge, die zur Sondermülldeponie oder zur Verbrennung gelangte, gerade einmal bei 0,7 Prozent. Die Sanierungskosten betrugen insgesamt rund 15 Mio. €. Die Finanzierung wurde aus Städtebaufördermitteln, aus EU-Fördermitteln für regionale Entwicklung (EFRE), Grundstücksverkäufen und städtischen Eigenmitteln bestritten.

Parallel zur Sanierung des Geländes erarbeitete die kommunale Bauverwaltung drei städtebauliche Rahmenpläne für die Quartiersentwicklung. Damit konnten die Planer flexibel auf neue Erkenntnisse im Bereich der Altlasten reagieren. Die städtebauliche Konzeption ist von strengen Linienführungen der Wasserzüge, Straßen- und Bebauungszonen sowie durch Sicht- und Wegebeziehungen zur Innenstadt geprägt.

Heute bietet das Gelände attraktiven Wohnraum für 750 Menschen mit überwiegend verdichteten Wohnformen u.a. Geschosswohnungsbau und Gartenhofhäusern. Durch die Integration von Sozialwohnungen und Altenwohnungen gelang eine bunte Mischung verschiedener Bevölkerungsgruppen. Seit dem Jahr 2000 wurden etwa 400 neue Arbeitsplätze im Bürosektor geschaffen. In vier Bauabschnitten entstand ein neuer Stadtteil mit eigenem Charakter als Wasserstadt. Der ehemalige Turm der Fabrikanlage wurde als historisches Bauwerk erhalten und beherbergt heute ein Textilmuseum, das an die ehemalige Nutzung der Fläche erinnert. In einer alten Webereihalle entstand ein modernes Zentrum für Kultur und Tourismus.

Projektchronologie

JahrEreignis
1979
Schließung der Textilfabrik Ludwig Povel & Co.
1980
Abriss des überwiegenden Teils alter Produktionshallen
1981
Flächenerwerb durch Stadt
1983
Städtebaulicher Ideenwettbewerb
1984
Erstellung der Bebauungspläne
1986
Altlastenerkundung und Festlegung als Sanierungsgebiet
1987 – 1990
Altlastensanierung
1991 – 1992
Umsetzung des 1. Bauabschnitts
1991
Bezug erster Wohnungen
1993 – 2000
Umsetzung des 2. und 3. Bauabschnitts
1998
Auszeichnung mit dem "Fair-Play-Preis" der Landesbausparkassen für zukunfts- und bedarforientierte Baulandpolitik
1999
Eröffnung des "Grenzüberschreitenden Kultur- und Tourismuszentrums" in der alten Weberei
2000 – 2007
Umsetzung des 4. Bauabschnitts
2002
Auszeichnung der Quartiersentwicklung "Wasserstadt Povel" mit dem DIFA-Award für innovative Stadtplanung und nachhaltige Bebauung
2008
Aufhebung des Sanierungsgebietes „Povel“
seit 2009 Vorbereitung des Erschließungsprojektes „Blaue Stadt Oorde“

Ziele

Wohngebäude am Wasser Quelle: FIRU mbH

  • Innenentwicklung durch Gewerbebrachenwiedernutzung
  • Revitalisierung historischer Seen- und Kanalstrukturen
  • Ökologischer Städtebau
  • Städtebauliche Qualität durch anspruchsvolle Neugestaltung und Zentrumsanbindung
  • Entwicklung neuer Infrastruktur und gemischter Nutzung von Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Naherholung
  • Verbesserung der Umweltqualität
  • Hohe Transparenz und Kosteneffizienz der Altlastensanierung

Maßnahmen

Wohngebäude am Wasser Quelle: FIRU mbH

  • Städtebaulicher Ideenwettbewerb
  • Städtebaulicher Rahmenplan
  • Bebauungsplan
  • Altlastensanierung
  • Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Wohnungsneubau
  • Soziale und kulturelle Einrichtungen
  • Neubauten für Dienstleistungen und Handel

Innovationen

Wohngebäude mit Fußweg und Wasserlauf Quelle: FIRU mbH

Die Revitalisierung des Povel-Geländes ist in mehrfacher Hinsicht wegweisend. Es ist ein attraktiver, kompakter und durchmischter Stadtteil entstanden. Die flexible Sanierungs- und Städtebaustrategie hat eine enge Verknüpfung der Anforderungen aus der Altlastensanierung mit den städtebaulichen Zielen ermöglicht. So konnte die technische und finanzielle Machbarkeit der Altlastensanierung mit den Nutzungsvorstellungen verbunden werden.

Der Erfolg des Projektes hängt wesentlich mit dem Projektmanagement zusammen. Der Planungsprozess wurde kooperativ und transparent gestaltet und durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Die Kosten der Altlastensanierung konnten durch den Einsatz differenzierter Methoden deutlich reduziert werden. Der belastete Boden wurde vor Ort schonend und ressourcensparend gereinigt.

Quellen

  • BBR (Auftraggeber), FIRU GmbH (Auftragnehmer): Querauswertung von ExWoSt-Modellvorhaben zum Flächenrecycling, 2004 (unveröffentlichter Bericht)
  • BMVBW: www. werkstatt stadt .de. Innovative Beispiele aus dem Experimentellen Wohnungs- und Städtebau, Berlin Juni 2000
  • Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Altlastensanierung und Gewerbenutzung, Bonn, 1991
  • Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.): Altlastensanierung und städtebauliche Erneuerung Nordhorn-Povelgelände. – Bonn 1990
  • Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH: Stadtökologie und umweltgerechtes Bauen, Themenschwerpunkt Gewerbebrachenwiedernutzung und Altlastensanierung, Endbericht, Berlin, Juli 1991
  • Wiegandt, C.-C.: Altlastensanierung und Reaktivierung von Brachflächen. In: ExWoSt-Informationen zum Forschungsfeld „Städtebauliche Erneuerung“ Nr.10.9 (1994), S.20-24

Weiterführendes

  • Straßer, H.; Holland. K.; Rongen, P.; Schuller, D.: Bewertungskriterien für die Folgenutzung eines Altstandortes am Beispiel des Sanierungsfalles Nordhorn-Povel. – Berlin 1985. = UBA-Texte 32/88
  • Wiegandt, C.-C.: Altlasten und Stadtentwicklung. Eine Herausforderung für eine kommunale Umwelt- und Planungspolitik. – Basel 1989. = Stadtforschung aktuell. Band 25
  • Wollmann, H.; Winkler, B.: Altlasten – Hemmnisse des Gewerbebrachenrecyclings, Stadtforschung aktuell, Band 41, Berlin 1993
  • http://www.wasserstadt-povel.de

Projektstandort auf Google-Maps: https://goo.gl/maps/5VzgCMwwv2x

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 48529 - Ort: Nordhorn - Straße: Am Museumsturm.

Letzte Änderung: 10.05.2012