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Nationale Stadtentwicklungspolitik

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Luchtsingel / ZUS (Zones Urbaines Sensibles)

Rückblick: The Living the City Symposium

Die scheinbar simple Ausgangsfrage, wie Stadt und Stadträume geschaffen werden, sorgte für einen Abend reich an inspirierendem Austausch. Stadtmacherinnen und Stadtmacher lieferten anhand sehr unterschiedlicher Ansätze die gleiche Antwort: Für gerecht gestaltete Städte gibt es keine Patentrezepte, und es darf sie auch nicht geben.

Viel zu oft wird der Fokus auf das Ergebnis gerichtet, sei es im Großen wie im Kleinen. Für Architektur und Städtebau bedeutet dies, dass während des Entstehungsprozesses vieles ausgeblendet wird, das sich einem möglichst reibungslosen Ablauf und schnellen Erreichen des Ziels in den Weg stellen könnte. Tatjana Schneider, Ko-Kuratorin der Ausstellung „Living the City“ brachte deren Anspruch in ihrer Begrüßungsrede auf den Punkt: Die vertretenen Ansätze seien leuchtende Beispiele dafür, dass andere Wege der architektonischen Praxis möglich sind. Statt vom Kapitalwert werden Entstehungsprozesse vom Mehrwert für Nutzerinnen und Nutzer bestimmt. Die Initiatoren setzen ihre Fähigkeiten ein, um sich für bessere Politik, bessere Arbeitsbedingungen und für eine gerechtere Gesellschaft stark zu machen.
So wurden im Symposium Mitte Oktober wie in der Ausstellung nicht nur Ergebnisse präsentiert, sondern vor allem Prozesse und Wege.

Bis auf einen waren die vier Gäste per Videokonferenztool in die Abfertigungshalle des Flughafengebäudes Tempelhof geschaltet, wo sie aus ihrer beruflichen Praxis in Großbritannien, Portugal, den Niederlanden und Schweden berichteten.

Den Auftakt machte Sepake Angiama aus London. Sie ist künstlerische Leiterin des „institute for international visual art“ (iniva) und in zahlreiche öffentliche Bildungs- und Vermittlungsprojekte involviert. In ihrer kuratorischen Arbeit analysiert sie kreative Prozesse in Kunst, Design und Architektur. Sie hinterfragt, warum diese bestimmten Paradigmen folgen, wer Architekten und Auftraggeber ermächtigt und vermittelt darüber hinaus Praktiken des Verlernens. Architektur könne als Methode begriffen werden, die Welt zu betrachten und nicht nur als Mittel zum Zweck, Gebäude zu errichten.

Aus Lissabon zugeschaltet war Architekt Tiago Mota Saraiva. Er ist Mitbegründer der Kooperative „Working with the 99%“ und von „ateliermob“, einer multidisziplinären Plattform für Architektur, Design und Stadt. In partizipativen Laboren setzt sich diese gemeinsam mit Anwohnern für bessere öffentliche Räume und Wohnmöglichkeiten ein. So werden Gebäude erschaffen, die wie Trojanische Pferde ein Erscheinungsbild vorgeben, aber tatsächlich als Köder für die Auseinandersetzung mit anderen spannenden Themen fungieren. So wurde zum Beispiel die Gemeinschaftsküche von Terras da Costa im Süden Lissabons als strategisches Mittel eingesetzt, um die zugehörige informelle Siedlung mit fließendem Wasser zu versorgen.

Elma van Boxel ist Mitbegründerin des 2001 in Rotterdam gegründeten Architekturbüros „Zones Urbaines Sensibles“ (ZUS), was aus dem Beamtenfranzösisch übersetzt soviel bedeutet wie „soziale Brennpunkte“. Vor 20 Jahren bezog sie ihr Büro im zum Abriss vorgesehenen Schieblock, nahe des Rotterdamer Hauptbahnhofs. Durch Eigeninitiative und Lobbyarbeit in politischen Gremien entwickelten ZUS den gesamten Block zu einem „Ökosystem“ aus vielen kleinen Bausteinen. Die teils durch Crowdfunding finanzierte, 400 Meter lange Fußgängerbrücke „Luchtsingel“ ist nur eine von vielen Interventionen, die zur Aufwertung des gesamten Quartiers beitrug und den Abriss des Bürohauses verhindert hat.

Viktoria Walldin ist mit White Arkitekter, einem interdisziplinären Architekturbüro aus Göteborg, in die Verlegung Schwedens nördlichster Stadt Kiruna involviert, die sich auf einem Eisenerzvorkommen befindet und daher vom Einsturz bedroht ist. In ihrem Berufsalltag engagiert sie sich auf politischer Ebene und setzt sich gegenüber Regierungsvertretern für die Belange von Stadtbewohnern ein. Ihrer Meinung nach liegt die Stärke der architektonischen Praxis nicht zuletzt darin, Bilder und Geschichten visuell greifbar zu machen. Erst so fänden diese überhaupt Eingang in politische Diskurse.

Anhand der vorgestellten Arbeiten wurde die gängige Architekturpraxis in Frage gestellt, die nach Meinung der Referenten ungerechte Planungsprozesse fördert und sich dadurch ihrer Verantwortung für einen weitaus größeren Kreis an Betroffenen entzieht. Das Fazit des Abends heißt: Architektur und die Produktion von Raum sind immer auch ein zutiefst politischer Akt.

Eine umfassende Sammlung von Begriffen, die für die Aushandlung des Gemeinwohls in der Entwicklung offener Städte bedeutsam sein können, enthält auch das im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik erschienene „Glossar zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung“.