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Netzwerktreffen und Konferenz für experimentelle Stadtentwicklung vom 9. bis 11. Juni in Hannover
Um Versprechen, Erwartungen und Konflikte aber auch um konkrete „Betriebsmodelle“ kooperativer Stadtentwicklung ging es vom 9. bis 11. Juni 2022 in Hannover: „You promised me a city“ lautete der Titel der zweitägigen Konferenz für experimentelle Stadtentwicklung, „You promised me new models“ titelte das vorgeschaltete Treffen des Stadtmachernetzwerkes der Nationalen Stadtentwicklungspolitik.
Drei Tage ging es um die aktuelle Praxis kooperativer Stadtentwicklung und darum, wie die vielen Aktiven in der Stadtentwicklung tatsächlich Gehör finden, welche Wege der Zusammenarbeit möglich sind und wie sich Neues etablieren lässt.
Prototypen für nachhaltige Stadtmacher-Projekte
Am ersten Tag standen „Prototypen für nachhaltige Stadtmacher-Projekte“ im Zentrum. Stephan Willinger, Projektleiter im Bundesinstitut für Stadt- und Raumforschung (BBSR) und Gastgeber des Stadtmacher-Netzwerktreffens in Hannover fasst das Anliegen der Tagung so zusammen: „Überall entstehen derzeit aus informellen Ansätzen dauerhafte Aufgaben und neue Orte, die durch ihre Kreativität und Offenheit wichtige Impulse für die gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung geben. Diese neue Dauerhaftigkeit geht weit über performative Aktionen und Zwischennutzungen hinaus. Zivilgesellschaftliche Stadtmacher entwickeln deshalb für ihre Standorte in kooperativen Prozessen mit Eigentümern und Kommunen passende Betriebsmodelle.“ Diese Betriebsmodelle waren Gegenstand der Diskussion der rund 70 Stadtmacher aus zivilgesellschaftlichen Initiativen und aus Netzwerken wie Immovielien, Urbane Liga, Zukunftsorte oder „Gemeinsam für das Quartier“. Viele hatten ihre Modelle grafisch aufbereitet. „Auf dieser Grundlage“, resümiert Stephan Willinger „konnten wir Handlungsoptionen, Unterstützungsbedarfe und notwendige Rahmenbedingungen diskutieren. Das BBSR wird die Ergebnisse analysieren, aufbereiten und veröffentlichen.“
Wofür und worüber streitet Ihr?
Ein Großteil der Teilnehmenden des Netzwerktreffens blieb zur Konferenz „You promised me a city“, die am 10. und 11. Juni ausdrücklich zum produktiven Streit über Stadtentwicklung einlud. In Formaten wie einem Fightclub, einer Shitshow, einer Ausstellung, Performances oder der abschließenden „Burnout Session“ wollten die Kuratoren Robin Höning und Ivana Rohr (ENDBOSS) die Fetzen fliegen sehen. „Nur wer sich aus der eigenen Komfortzone bewegt, entdeckt auch neues Terrain und erzeugt produktive Dissonanzen,“ hieß es in der Ankündigung der Konferenz für experimentelle Stadtentwicklung.
Ein Teil des Konferenz-Programms war kollektiv kuratiert. Die Hälfte der Beiträge entstand durch einen Open Call, der um Vorschläge für selbstorganisierte Formate gebeten hatte. Er richtete sich mit den Fragen „Worum geht es euch eigentlich?“ und „Wofür streitet Ihr?“ bundesweit und international an Stadtakteurinnen und Akteure. In einem öffentlichen Online-Voting haben 5.000 Personen über die Einreichungen abgestimmt, die Einreichungen mit den meisten Stimmen erhielten eine Einladung. Gerahmt wurde das ganze Programm durch kulturelle Produktionen.
Über sechs Stationen führte das Line-up der Konferenz an beiden Tagen durch die Stadt. Vom Auftakt am Opernplatz mit einer öffentlichen Frühstückstafel ging es am 10. Juni zu einem ehemaligen Kaufhaus, dann mit einer Stadtmacher-Parade zum Ihmezentrum – beides Orte des Leerstandes und der (ausbleibenden) Transformation, die im Rahmen der Konferenz zum Debattier- und Probierort wurden. Am Folgetag lud die Konferenz zu Workshops in der Kleingartenanlage „Dornröschen“, später ging es zum Lindener Hafen und zum Platzprojekt. „Es haben sich über 300 Leute zur Konferenz angemeldet“, so Kurator Robin Hönig, „und zwar aus allen Disziplinen und nicht nur aus ganz Deutschland, sondern unter anderem auch aus Litauen, den Niederlanden, der Ukraine, der Schweiz und Österreich, Tschechien und Griechenland.“
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„Ein großer Community Building-Prozess“
Beiträge zum Konferenzprogramm stammten u. a. von der Urbanen Liga, der Stadtmacher Akademie, von kommunalen Initiativen wie dem WandelWerk in Köln, von streit- und kooperationserprobten Architekturkollektiven wie Assemble (London) oder Raumlabor Berlin und von vielen weiteren Impulsgeberinnen und Impulsgeber wie Leyla Ercan, Diversitätsbeauftragte am Staatstheater Hannover, der Architekturprofessorin Tatjana Schneider oder Charlotte Malterre-Barthes von der Harvard Graduate School of Design. Zentrale Punkte aller Konferenzbeiträge waren das gemeinsame Bewegen, das Einstellen auf die aktuellen und zukünftigen Krisen und Veränderungen sowie die Suche nach Bewältigungsstrategien. Es ging um Gewohnheiten und deren Aufbrechen, das neu Sehen – wie bei Mathis Bergmann in seiner Arbeit „Extraordinary standards“, das Überwinden von Barrieren und Grenzen, um ins Gespräch zu kommen wie bei dem Projekt „Strolling with a stranger“ von Laura Heda und Anna-Lena Hagen. Und immer wieder ging es um das „Wie“: Wie können wir konstruktiv miteinander vorankommen, Gegensätzliches nicht ignorieren oder wegdrücken, sondern auch die Produktivität des Streits nutzbar machen? - hier lieferte Performance Künstler Martin Mutheine Reihe von Anregungen.
Das Konzept ging auf, wie auch Tomasz Lachmann von der Gesellschaft für außerordentliche Zusammenarbeit Hannover– einem ehemaligen Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik – und Gastgeber am Abend des Netzwerktreffens, nach dem Wochenende bestätigt:
"Als Stadtmachender mit so vielen anderen Stadtmachenden zusammen zu kommen ist immer eine enorme Bereicherung, da man unglaublich viel voneinander lernen kann und sich gegenseitig stärkt. Als Hannoveraner auch noch eine Art Gastgeber zu sein, ist dabei natürlich eine besondere Ehre. Ich glaube, dass Formate – ob Netzwerktreffen oder Konferenz –, die mit den üblichen Konventionen brechen, indem sie Menschen aus unterschiedlichen Richtungen zusammenbringen, einen enormen Mehrwert für alle Beteiligten darstellen. Es fühlt sich an wie ein großer Community Building-Prozess."
Begleitet wurde die Konferenz auch vom stadt:mobil der Nationalen Stadtentwicklungspolitik. Es reist dorthin, wo die transformative Kraft der Stadt für das Gemeinwohl wirkt; an Orte, wo gemeinsam Stadt gerechter, grüner und produktiver gedacht und entwickelt wird. In den nächsten Wochen besucht esStuttgart undNeuruppin – zwei Pilotprojekte der Nationalen Stadtentwicklungspolitik aus dem Projektaufruf Post-Corona-Stadt. Auch dort lädt das als Infostand nutzbare Elektro-Lastenrad zum Austausch über aktuelle Themen der Stadtentwicklung ein und macht auf die zahlreichen digitalen Wissensangebote auf unserer Plattform machtstadtgemeinsam.de aufmerksam.